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Armin Richard Hornberger: Aufgewachsen in Lodz (Rezension)

Armin Richard Hornberger: Aufgewachsen in Lodz (Rezension) 1

Geschichte beginnt in einem Krankenzimmer. Ein völlig abgemagerter Junge wird wach und weiß zuerst gar nicht, wo er ist. Es ist das Jahr 1945 und der Junge ist allein. Allein in Deutschland und vielleicht auch auf der Welt, denn ob seine Angehörigen noch leben, weiß er auch nicht. Dieser Junge ist Armin Richard Hornberger, der Autor des autobiografischen Romans Aufgewachsen in Lodz: Kindheitserinnerungen. Der 1930 geborene Autor berichtet im weiteren Verlauf über seine Kindheit in Lodz, die eng mit der politischen Situation verbunden ist.

Zugegeben, das Cover ist auf den ersten Blick nicht sonderlich ansprechend gestaltet, was bei Biografien leider allzu oft der Fall ist. Für viele sicherlich ein Grund das Buch nicht zu kaufen, ohne auch nur auf den Inhalt geachtet zu haben.

Der Autor Armin Richard Hornberger berichtet aus der Situation seines damaligen Ichs. Er erzählt die jeweiligen Situationen so, wie sie ihm zum damaligen Zeitpunkt vorgekommen sind. Er berichtet mit kindlicher Naivität, das an den Zaun den Hauses Hakenkreuze gemalt wurden und der Vater neue Latten anbringen musste, woraufhin der Zaun wie neu aussah. Als an das Haus der Nachbarn ein Davidstern gemalt wurde, sieht er nur die Konsequenz, das die Eltern ihm verboten von nun an das Grundstück zu verlassen. Einen politischen Hintergrund erkennt er nicht. Auch auf zusätzliche Erläuterungen von Zusammenhängen, die der Autor im Nachhinein erkennt, wird verzichtet. Dieses stilistische Mittel ist etwas, das mir besonders gut gefällt.  Als Leser fühlt man sich so direkt in die damalige Zeit hineinversetzt. Mit Kindern wurde nicht viel über die aktuelle Situation gesprochen. Die Erwachsenen brechen Gespräche ab, wenn die Kinder den Raum betreten oder blockieren Fragen der Kinder mit Androhungen von Strafe. Nur der Onkel bringt für den kleinen Armin und seine Geschwister manchmal Licht ins Dunkel und erklärt ihnen die politische Lage.

Die Geschichte wird sehr bildhaft beschrieben. Das führt soweit, dass man nach einiger Zeit das Gefühl hat, als wenn man selbst schon in Lodz gewesen wäre. Der Autor berichtet dabei nur von seinem kindlichen Kosmos, dem kleinen Bereich der Stadt, den er zu sehen bekommt, dies aber so detailliert, das man das Gemüse und die Blumen auf dem großelterlichen Bauernhof zu riechen scheint.

Ich habe das Buch in einer Nacht durchgelesen. Der Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm zu lesen. Dieser Art von historischem Roman / Biographie wird leider viel zu wenig Beachtung geschenkt, dabei sind die Geschichten mindestens genau so spannend, wie in den vielen fiktiven mittelalterlichen Romanen. Zusätzlich finde ich es immer sehr interessant einen Einblick in eine Zeit zu bekommen, die ich nicht miterlebt habe und die uns heutzutage oft so unverständlich erscheint. Als Nachgeborene stellt man sich häufig die Frage, wie es dem Nationalsozialismus möglich war, zu solch großer Macht zu kommen, ohne das das Volk dagegen aufbegehrt hat. Zeitzeugenromane helfen mir dabei, dies besser zu verstehen.

Das Kind Armin wird immer wieder in seinem unmittelbaren Lebensbereich von der politischen Situation tangiert, allerdings lebt er auch seine normale Kindheit, wird eingeschult, hilft auf dem Hof der Großeltern, fährt in den Urlaub an die Ostsee und spielt mit polnischen Kindern im Hof. Gleichzeitig dürfen seine polnischen Freunde aber irgendwann nicht mehr zur deutschen Schule, nicht mehr in den Park und die Schule erwartet, dass alle Kinder zu den Pimpfen gehen. Dies alles geschieht, ohne das die Kinder informiert werden, warum es so ist.

Lodz lag nicht im Zentrum des deutschen Reiches und auch Armin, der in einer deutschen Familie aufwächst, spricht als Kind nur polnisch, weshalb er bei einem Aufenthalt in Berlin nicht als echter deutscher anerkannt wird. Diese inneren Konflikte, die Situation der Menschen in den vielen polnischen Städten mit deutschen Einwohnern zu Beginn und zum Ende des Krieges und die Entwicklung eines Kindes im nationalsozialistisch geprägten Deutschen Reich kann kein Geschichtsbuch so gut vermitteln, wie dieser Roman. Für mich ist Aufgewachsen in Lodz: Kindheitserinnerungen einer der besten historischen Romane seit langem. Dabei liegt die Betonung auf Roman, den anders als bei vielen anderen Biographien ist die Geschichte packend geschrieben und behält bis zur letzten Seite ihre Spannung. Eine absolute Leseempfehlung.

WERBUNG: Aufgewachsen in Lodz: Kindheitserinnerungen von Armin Richard Hornberger ist im Frieling Verlag erschienen und kostet 9,90 Euro.


Eine Antwort zu “Armin Richard Hornberger: Aufgewachsen in Lodz (Rezension)”

  1. So habe ich das nicht gesehen, als ich es aufgezeichnet hatte.
    Von Goethe habe ich einmal gelesen, man schreibt etwas auf, um sich den Ärger vom Hals zu schaffen. Und das hat sich bei mir bestätigt. In den Jahren im Arbeitslager in Ostberlin, in denen ich mir diese Notizen aufzeichnete, überwandt ich mein Trauma über meine Vertreibung.
    In den drei folgenden Novellen habe ich versucht, mir weiteren Ärger vom Hals zu schaffen:
    Hermann und Natascha – Frieling-Verlag Berlin – ISBN 978-3-8280-2532-5
    Hermann und Ursula – Frieling-Verlag Berlin – ISBN 978-3-8280-2588-2
    Hermann und Christine – Frieling-Verlag Berlin – ISBN 978-3-8280-2664-3

    Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
    Armin Hornberger

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