Schon im letzten Jahr habe ich euch von der Aktion „Du bist ein Gewinn“ der Deutschen Fernsehlotterie berichtet. Damals hatte ich bereits einige Monate für Geflüchtete, vorwiegend Jugendliche, eine Nähwerkstatt angeboten. Inzwischen ist ein ganzes Jahr vergangen und die Hilfe, die wir vor Ort leisten, kommt an. Ich bin so dankbar, über die vielen Helfer, die Woche für Woche mehrfach kommen und ehrenamtlich helfen, wo sie nur können.
Erst letzte Woche habe ich übrigens auch den Film Dschungelbuch mit einem Jugendlichen geschaut, der ihn noch nicht kannte. Unabhängig vom Projekt „Balu und Du“, das ich bisher noch gar nicht kannte, war dieser Junge für mich immer auch ein Mogli. Schon bevor er deutsch sprechen konnte, ist er mir aufgefallen unter den vielen geflüchteten Jugendlichen, die ich betreut habe. Er war anders, noch weniger sozialisiert, fast ein wenig wie ein Tier, scheu und wild gleichzeitig. Dennoch suchte er immer den Kontakt, ohne das er deutsch lernte, war er bei jeglichen Aktivitäten dabei, egal ob es ums Wandern oder Nähen ging. Heute, viele Monate und einen manchmal recht schwierigen Weg später weiß ich, dass mein „Mogli“ dem Dschungelbuchcharakter nicht unähnlich ist. Als wir den Film geschaut haben, wurde ihm das selbst auch bewusst. Das stetige „Ich kann alles alleine! Ich brauche keine Hilfe! Lass mich in Ruhe!“, das der Junge im Film immer wieder äußert und das ich auch so oft gehört habe und das doch zeigt, wie groß die Angst ist, zu vertrauen und enttäuscht zu werden, die vielen Gefahren die locken, durch die Schlange oder den Affen und die Tiere, die einem versuchen den Weg zu weisen, aber dabei manchmal an ihre Grenzen geraten, das alles kommt mir sehr bekannt vor. Gerade weil ich gemerkt habe, dass dieser Jugendliche offenbar besonders große Schwierigkeiten hat, habe ich versucht ihm die Hand zu reichen, die er zögernd, aber dann doch entgegengenommen hat. Inzwischen weiß ich, dass er ein Straßenkind war, das bereits seit seinem 8. Lebensjahr alleine in Afghanistan leben musste, da die Eltern ohne ihn das Land verlassen haben. Die Schule durfte er natürlich nie besuchen, viel eher musste er von Tag zu Tag sehen, das er überlebt und für sein Überleben hart arbeiten. Die Dinge, die er dabei erlebt hat, könnten einen ganzen Roman füllen, einen sehr traurigen Roman, in dem die Wörter Vertrauen, Liebe und Hilfe nicht wirklich vorkommen dürften. Wenn ich dann jetzt sehe, wie er heute zur Schule geht, lernt, sein Deutsch immer besser wird und wie er immer mehr vertrauen entwickelt, bin ich mir sicher, dass sich dieser Weg lohnt. Viele Probleme und schwere Traumata bestehen weiterhin, neue Probleme kommen hinzu, dazu die Angst, irgendwann in dieses Land zurückzumüssen, vor allem, wenn man die Nachrichten verfolgt. Ich versuche ihn stetig zu beruhigen und gehe davon aus, dass man Opfer von Verfolgung und Folter in unserem Rechtsstaat schützen wird und hoffe sehr, das dieser Jugendliche zum ersten Mal in seinem Leben eine Chance auf den Ansatz vonNormalität bekommt. Dabei möchte ich ihn mit Hilfe von anderen Helfern aus unserer Nachbarschaft unterstützen. Für mich ist das Arbeiten mit den Jugendlichen übrigens auch eine große Bereicherung. Nicht nur, dass man Bodenhaftung zurückgewinnt, auch macht es mich demütig und nachdenklich zu sehen, wie ein Mensch so ohne Hass sein kann, nachdem ihm andere Menschen immer nur schlechtes angetan haben. Er sagt so: „So jemand wie euch habe ich noch nie gesehen“, was mich ein wenig traurig macht, denn er hätte schon viel früher helfende Hände treffen sollen, statt in seiner Heimat misshandelt zu werden. In Deutschland hingegen gibt es so viele Menschen, die sich sozial engagieren, was ich großartig finde. Die Aktion „Du bist ein Gewinn“ stellt euch einige von ihnen vor, ebenso wie ihre Projekte und da ich aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig finanzielle Unterstützung für solche Projekte ist, finde ich dieses Projekt der Deutschen Fernsehlotterie auch unbedingt erwähnenswert, denn je mehr Projekte unterstützt werden desto mehr Menschen können vielleicht auch bald ein bisschen positiver in die Zukunft blicken.