Seattle im Jahre 1986. Nach dem Tod seiner Frau hat Henry nicht viel zu tun. Er ist Rentner und sein einziger Sohn studiert bereits. Eines Tages kommt er am ehemaligen Panama Hotel vorbei, in dem die neue Besitzerin gerade Fundstücke aus einer vergangenen Zeit aus dem Keller holt. Aus einer Zeit, die für Henry voll von besonderer Erinnerungen ist, die er jahrelang verdrängt hatte. Stück für Stück öffnet sich Henry gegenüber seiner Vergangenheit, aber auch gegenüber seinem Sohn und begibt sich auf eine Spurensuche in die Vergangenheit.
Seattle im Jahre 1942. Henry besucht auf Wunsch seiner Elternals einziger Chinese eine amerikanische Schule. Das er chinesischer Abstammung ist, erkennt man nicht nur an seinem äußeren, sondern auch an einem großen Button mit Aufschrift „Ich bin Chinese“. Auch diesen haben seine Eltern ihm mitgegeben. Dennoch wird er von seinen Mitschülern drangsaliert. Einige Zeit später kommt eine weiter asiatische Schülerin auf Henrys Schule. Keiko ist jedoch Japanerin, was noch viel schlimmer ist. Schließlich stehen die USA, ebenso wie China mit Japan im Krieg. Henry freundet sich trotzdem mit Keiko an, auch wenn sein Vater ihm dies nie verzeihen würde. Die Reglements gegen die japanische Bevölkerung werden jedoch immer strenger und nach dem Angriff auf Pearl Harbor werden Internierungslager für alle japanischstämmigen Bewohner der USA eingerichtet.
Die beiden Handlungsstränge wechseln sich innerhalb der Geschichte ab. Immer besser versteht der Leser, was damals wirklich geschehen ist und weshalb Henry nur mit schwerem Herzen an die Vergangenheit zurückdenken kann. Weitere Figuren treten auf. Henrys einziger Freund, der Saxophonspieler, der an die junge Liebe glaubt und Henry und Keiko bestmöglich unterstützt. Henrys Vater, der Japaner hasst und alles daran setzt, dass sein Sohn Amerikaner wird. Aber auch Henrys Mutter, die zwischen ihrem Sohn und ihrem Mann steht und Henrys Mitschüler, von denen einige ihn als Opfer auserkoren haben. Alles wirkt so lebendig beschrieben, dass man fast schon die Gerüche von Japantown und Chinatown wahrnehmen kann. Im Lauf der Geschichte bewirkt das Aufarbeiten der Vergangenheit bei Henry, dass er sich auch wieder für die Gegenwart und vor allem für die Zukunft öffnen kann.
Keiko ist eine unglaublich berührende Geschichte, die ein detailliertes Bild der damaligen Zeit zeichnet. Der zweite Weltkrieg wird für aus einer für Deutsche ungewohnten Perspektive dargestellt, die sich mit den Schwierigkeiten der amerikanischen Bevölkerung beschäftigt. Jamie Ford schildert eindrucksvoll, wie die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen vom Krieg betroffen waren, ohne das er dabei anklagend wird. Er verzichtet dabei auf das typische gut-böse Szenario. Auch wenn man als Leser schon bald ein Wunschende entwickelt, bleibt die Suche nach Keiko doch bis zum Ende spannend. Für mich ist Keiko eine herrausragende Erzählung, die durch die Stimme von Bernt Hahn zu einem angenehmen, traurig schönem Hörerlebnis wird.
Keiko von Jamie Ford ist im Der Audio Verlag erschienen und kostet ca. 24,99 Euro.