Für Muslime endete vor wenigen Tagen der Fastenmonat Ramadan, an den sich ein dreitägiges Fest anschließt, das bei uns als Zuckerfest bekannt ist. Dieses Fest hat einen Stellenwert wie bei uns Weihnachten und wird in der Regel mit der Familie und Nachbarn zusammen gefeiert. Man besucht sich und isst, wie es der Name schon sagt, jede Menge Süßes. Außerdem bekommen Kinder Geld und Süßigkeiten geschenkt. Problematisch wird dieses Fest allerdings, wenn man plötzlich alleine in einem fremden Land ist, ohne Familie.
Ich kenne das Zuckerfest aus der Schule, in der an diesem Tag alle Moslems frei hatten und im Endeffekt nur noch drei oder vier Schüler in meiner Klasse waren. Selbst gefeiert habe ich es aber auch noch nie. Dementsprechend hatte ich auch keine Vorstellung davon, wie das genau abläuft. Auf jeden Fall wollte ich für die Jungs kleine Geschenke vorbereiten. Auch hier war mir nicht klar, was man schenkt und was nicht. Da ich in den letzten sieben Monaten sehr viel an Freizeitaktivitäten mit ihnen unternommen habe, habe ich jede Menge Fotos davon auf meinem Handy und bevor sie alle verloren gehen, kam mir die Idee, den Jungs Fotobücher zu basteln. Ein wenig wollte ich ihnen damit zeigen, dass es natürlich nicht mehr ist, wie zu Hause, aber das sie hier auch willkommen sind und wenn wir auch nicht eine Familie ersetzen können, so können wir ihnen vielleicht trotzdem zumindest ein wenig familiären Halt anbieten. Jedes Mal wenn ich Fotobücher bastel, unterschätze ich, wie unglaublich lange das dauert. Die ersten Stunden habe ich mit der Fotoauswahl verbracht.
Aus knapp 1000 Fotos die wichtigsten herauszusuchen und dann auch noch für unterschiedliche Personen, dauert seine Zeit. Ungefähr genau so lange, dass ich dann am Ausdruckautomaten von dm stand, da natürlich keine Zeit mehr blieb, die Fotos zu bestellen. Die Qualität lässt deshalb ein wenig zu Wünschen, aber zu Hause ausdrucken ist bei meinem Drucker leider auch keine Alternative. Nachdem ich etwa 150 Fotos ausgedruckt hatte, ging es ans Zuschneiden und Aufkleben. Nach ein paar Stunden rief ich verzeweifelt meine Oma an, die mir dann bei den restlichen Stunden Gesellschaft leistete. Dann musste natürlich noch alles beschriftet, ein individueller Text, je nach Sprachlevel, geschrieben und Buch von außen mit Stoff beklebt werden. Hier habe ich versucht, auf die farblichen Vorlieben zu achten.
Wer Glitzer und Blümchen mag, bekommt Glitzer und Blümchen. Danach war ich selbst ein wenig erstaunt, wie viel man doch in den letzten Monaten gemeinsam erlebt hat, was alles seinen Ursprung im Nähworkshop hatte. Vom Besuch beim persischen Frühlingsfest, über Wanderungen, Fußballturniere und Fußballabende, Schwimmbad- und Kletterparkbesuche, Inline Skaten, Tischtennis spielen, Gartennachmittagen, Fastenbrechen bis hin zu gemeinsamen Kochen und Picknicken.
Ob die Fotobücher jetzt so ganz passend zum Zuckerfest waren, weiß ich nicht. Was aber auf jeden Fall dazugehört, sind Süßigkeiten. Deshalb habe ich große Tüten genäht, in die dann jede Menge Süßigkeiten, Datteln, Kekse und andere kleine Geschenke hereinkamen. Die Tüten sind einfach aus einem Packpapierstreifen, der in der Mitte gefaltet wird und dann einfach dann ganz einfach mit der Nähmaschine zusammengenäht werden. Diese Tüten sind ziemlich stabil, sodass man einiges hineintun kann. Beschriftet habe ich sie mit Namen, sowie dem Gruß „Eid Mubarak“, was inetwa unserem „Frohe Weihnachten“ entspricht. Darunter konnten dann noch alle anderen unterschreiben, die auch immer beim wöchentlichen Visioneers-Workshop oder dem Nachhilfeunterricht dabei sind und die auch noch eine Kleinigkeit in die Tüte werden wollten. Mit all diesen lieben Menschen wollten wir ein großes Picknick machen. Vorher war jedoch noch Nähworkshop angesagt. Als es um 15.30 Uhr in strömen goss, war ich etwas frustriert, da ich den ganzen Kram mit Mühe von einem Bezirk in den anderen transportiert hatte und wir natürlich auch unsere neue, selbstgenähte Picknickdecke ausprobieren mussten. Kurz nach vier regnete es allerdings nicht mehr und auch wenn alle anderen weniger begeistert waren, entschied ich, einfach trotzdem im Park zu picknicken und nicht drinnen zu bleiben. Tatsächlich klarte der Himmel auch bald auch und auch wenn es etwas kühl und windig war, war es dennoch wunderbar sonnig.
Es gab unterschiedliche Leckereien und ich hatte zum ersten Mal Baklava gebacken, eine orientalische Süßspeise aus dünnem Filoteig, Butter, Nüssen und Zucker, die typisch fürs Zuckerfest ist. Tatsächlich habe ich von einem dreizehnährigen Mädchen dafür Lob eingesammelt: „du kannst ja jetzt doch endlich kochen“ und ein anderer Gast meinte „das ist die beste Süßspeise, die ich in Deutschland gegessen habe“, was vielleicht auch eher daran liegt, dass unsere Süßspeisen normalerweise nicht ganz so süß sind. Allerdings hat das Baklava wirklich gut geschmeckt, weshalb ich euch auch noch zeigen werde, wie ich es gemacht habe. Ich denke die Jungs und auch alle anderen hatten einen schönen Nachmittag. Das Fest war sicher nicht wie zu Hause, aber diesen Tag in Anwesenheit ihrer Freunde zu verbringen, ist sicher auch besser, als ganz alleine in einem Heim. Einer meinte am Ende zu mir: Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Tag ohne Familie schön sein kann, aber es war ein sehr guter Tag“ und ein anderer schrieb später „ich bin sehr glücklich. Vielen Dank“, sodass ich hoffe, dass es ein halbwegs angemessenes kleines Fest war.
4 Antworten zu “Wir feiern das Zuckerfest”
Das Zuckerfest ist wirklich ein toller Tag. Auch wenn ich keine Muslima bin.
Aber deine Fotos und dein Bericht zeigen es ja : Es war ein toller Tag.
Liebe Grüße
Ann – kolonialwarenladen.blogspot.de
Habt ihr nur Muslime in eurem Nähkurs? Wenn nicht – haben die nichtmuslimischen Teilnehmer dann auch so ein Päckchen bekommen oder werden sie es erst an Weihnachten?
Hallo meine Liebe! Alle Jugendlichen haben natürlich so ein Päckchen bekommen, unabhängig davon, ob sie Moslems sind, ob sie an Gott glauben oder nicht. Das ist für mich nicht wichtig. Ich feiere ja auch Weihnachten, weil das zu meiner Kultur gehört, obwohl ich nicht religiös bin 🙂
Alles Liebe,
Julia